Freitag...
war ein schlechter Tag. Ich wollte erbrechen, aber meine Psyche hat zugemacht - es ging nicht alles raus. Verzweiflung, dann Gleichgültigkeit rangen jeden Widerstand nieder, ich griff später oft und schnell in die Schüssel mit den Chips, eine zweite Tüte wurde geöffnet und geleert. Dazu ein weiteres Glas Wein. So beginnt ein Wochenende auf Bulimisch.
Samstag also.
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Gnadenlos. Ehrlich. |
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Notwendig. Ein Beispiel. |
Der Samstag vergeht mit Alltäglichem: Dem Spagat zwischen Waschmaschine und Hausaufgaben der Kinder, Bad- und Kloputzen, Telefonaten, Wochenabwicklung und -vorausplanung, tiefgehenden Gesprächen mit einzelnen Söhnen, Bürokratie und Ablage. Das ist z.T. ärgerlich (s.o.), wiederholt sich unendlich, birgt aber auch sehr schöne Familien-Momente. Ich mag es, mit einem Sohn im Arm auf dem Sofa zu sitzen und Dinge zu besprechen. Oder mit einem anderen Liegestütze zu machen, er gewinnt natürlich. Oder mit dem dritten zu versuchen, Ableitungen irgendwelcher mathematischer Formeln zu generieren. Diese Gelegenheiten ergeben sich (fast) ausschließlich am Wochenende. Schön ist das: Zeit haben. Zeit vergehen lassen. Ohne Termine.
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Eigentlich verboten. |
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Backen macht Freude? |
In meinem Kopf schichte ich Kuchen und Schokolade abwechselnd mit einigen Schlucken Wasser; des Süßen überdrüssig ergänze ich helles, weiches Brot mit viel Salzbutter und Käse, dazu bittersüßen Saft, und und und... Wie gesagt: Nur in meinem Kopf. Bis ich wirklich anfange zu essen. An guten Tagen gönne ich mir einen Kaffee, es bleibt bei einem Bissen oder Stück. Ich kann mich daran freuen. Hin und wieder kippt's, aus dem guten wird ein schlechter, manchmal auch ein mieserabler Tag. Ich verliere das Maß, fassungslos mich selbst betrachtend, durchaus wahrnehmend was ich da tue. Dann schichte ich in meinen Bauch, sehr real, Kuchen auf Kuchen auf Schokolade auf fetten Käse.
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Fetter Rest. |
Wie geht nun dieser gestrige Samstag vorüber? Auf dem Sofa, mit eineinhalb Gläsern Rotwein, ohne Nascherei. Wobei, das letzte Blätterteig-Teilchen findet dann doch um Mitternacht noch den Weg in meinen Bauch. Reste sind eine böse Falle. Tapfer protokolliere ich alles, auch derlei Niederlagen. Mir ist zum Heulen.
Und jetzt der Sonntag.
Völlig unstrukturiert, sehr frei. Ich fühle mich sogar frei. Nicht leicht, aber befreiter. Im Haus ist frühmorgens noch alles ruhig. Ich nehme Kaffee und Banane mit ins Bett zu meinem Buch, danach bin ich satt. Inzwischen weiß ich sogar, wie sich Sattsein anfühlt! Noch ein Erfolg der Therapien. Erst zur späten Mittagszeit überkommt mich die nächste Hunger-Attacke. Nahezu gelassen wähle ich die gestrige Verpflegung mit Joghurt, Obst und Vollkornbrot, um die Törtchen mache ich einen Bogen. Es fällt mir gar nicht so schwer, die Fixierung, das Hadern und innere Verhandeln sind einer gewissen Entspanntheit gewichen. Ich weiß: Die nächste Mahlzeit muss zubereitet werden, ich werde mir einen Sohn zum Helfen und Zerstreuen dazu bitten. Ich will versuchen, errungene Strategien umzusetzen und beim Essen meine Portionsgrößen einhalten. Am Ende des Tages wartet ein Schluck Wein auf mich, bevor ich bis zum nächsten Freitag ohne Alkohol sein will.Mein Tag ist noch nicht geschafft. Ich schaue voraus, ich plane vorweg, ich wäge ab, ich schreibe auf. Das geht nicht unbeschwert oder gar leicht. Im Gegenteil. Aber ich muss es tun, jeden Tag, jeden verdammten Tag, um durchzuhalten und dran zu bleiben, um mich nicht dem Absturz hinzugeben. Denn ich weiß ja, was dann folgt...
Damit geht mein Wochenende auf Bulimisch ohne größere Fressanfälle vorüber. Vielleicht kann ich etwas von meiner Entspanntheit mit in die kommende Woche nehmen. Das wäre schön. Und ein echter Therapie-Erfolg.