Sonntag, 27. Mai 2018

Total verzerrte Wahrnehmung

Weglaufen geht nicht - Auseinandersetzung muss sein.


Im Spiegel sehe ich eine Frau mit einem schönen, schmalen Gesicht, mit kurzen dunklen Haaren, die von grauen Reflexen durchzogen sind. Eine etwas krumme Nase hat sie mit einem kleinen Piercing. Und diese Augen - so dunkel und intensiv. Bin ich das? Ja, das bin ich. Nur der Teil abwärts vom Hals schien mir immer total falsch, den wollte ich nicht. Das ändert sich langsam. 

Der Spiegel offenbart meine Körperschemastörung.

Den Blick in den Spiegel habe ich immer vermieden; in meinem Haus gibt es erst seit meinem 1. Klinikaufenthalt vor 3 Jahren eine Ganzkörperansicht. Trotzdem habe ich unzählige Stunden schon als Mädchen und junge Frau vor  Spiegeln oder Fensterscheiben verbracht: mit puberärem oder durchtrainiertem
Traumhaft: Barbieland.
Bauch, mit wenig und später
mit schwangerem Bauch, auch mit stolz-weil-dürr-Bauch. Dann in magerem Zustand ganz ohne Bauch oder jetzt mit weichem Speck-Bauch. Nie hat der Spiegel gezeigt, was ich so dringend sehen wollte: Einen perfekten, dünnen, wohlgeformten, strahlend schönen und makellosen Körper. Weiblich, sexy, jedoch bitte ohne Brust und Hüfte und Schenkel, ohne jede Delle oder Welle. Wie sehr sich das gegenseitig ausschließt... Und egal, wie dünn ich war, ich war nie dünn genug, sondern im Spiegel immer fett. Willkommen im Denken und Fühlen meiner verzerrten Selbstwahrnehmung!

Mittwoch, 23. Mai 2018

Schlüsselsätze: Über das Zunehmen

Es geht doch um den Menschen dahinter!


Wie Perlen auf einer Schnur.
Gerade fällt mir auf, dass diese Aussage eine Perle ist. Eine Perle, die mir - verborgen in einer schwierigen Therapiestunde - begegnete und die mir im Gedächtnis blieb. Eine Perle, die ich jetzt erst aufgefädelt habe. Darum nehme ich den Ausruf "Es geht doch um den Menschen dahinter!" nachträglich in die Liste meiner persönlichen Schlüsselsätze auf. Im Post "Total verzerrte Wahrnehmung" komme ich darauf zurück: "Ich bin nicht nur mein Aussehen, mein Körper. Ich bin viel mehr: Nämlich lustig, verlässlich, liebevoll, ernsthaft, nachdenklich, schwach, stark, kreativ und belesen, energiegeladen, erfahren, manchmal langsam im Denken, manchmal schnell, ich bin empathisch, ich werde geliebt und ich liebe, oft bin ich klug und manchmal blöd, ich bin unternehmungsfreudig, eine fürsorgliche Freundin und eine Netzwerkerin und bestimmt noch Vieles mehr." Vielleicht finde ich noch weitere dieser Perlen. Sie helfen mir durch schwere, unsichere Zeiten.

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Letzte Aktualisierung: Sonntag, 27.05.2018

Sonntag, 20. Mai 2018

Über das Zunehmen

Vive le moment.

Die Sache mit dem Gewicht


Bei meiner Essstörung geht es nicht nur ums Gewicht, aber zu einem wesentlichen Teil. Die Zahl auf der Waage manifestiert Sieg oder Versagen. Und dahinter steckt immer: Was werden nur die anderen denken? Bestehe ich ihrem kritischen Blick? 

Das Äußere ist existenziell.

Ich. 2014.
Egal, was mein wunderbarer Therapeut sagt. Seine Worte: "Es geht doch um den Menschen dahinter!" verklingen unverstanden. Beziehungsweise meine Vernunft lässt das Argument ausschließlich für andere gelten. Nicht für mich. So fahre ich mit sehr gemischten Gefühlen zu einem großen Familienfest in Deutschlands Norden. Vielen der Gäste bin ich seit Monaten oder gar Jahren nicht begegnet. Was werden die wohl denken, wenn sie mich so sehen? Ich wiege gute 15+ Kilo mehr als vor ein paar Jahren noch. Die Vorfreude auf das Wiedersehen verblasst deutlich angesichts meiner Angst vor den vermutlich bissigen und gehässigen Gedanken, möglicherweise gar Kommentaren, der Familie. Und diese Angst ist nicht ganz unbegründet, fußt sie doch auf eigener, bitterer Erfahrung. Außerdem habe ich inzwischen mitgelitten und der Dokumentation "Embrace" entnommen, welch' boshaften Anfeindungen die Autorin auf Grund ihres Aussehens ausgesetzt war (ist?). Ganz und gar unglaublich. Hinzu kommen meine eigenen vernichtenden Gedanken über mein Aussehen. Für mich kommt es anders: Das Fest wird ein großer Spaß, ich durchtanze die Nacht - und bekomme Komplimente. Unerwartet schön, dieses Gefühl, ich kann die Aufmerksamkeit des Außen annehmen. Das ist neu für mich. "Vive le moment", sogar in füllig!

Donnerstag, 17. Mai 2018

Du bist schön

Strahlen von innen.

Embrace


Der Film von Taryn Brumfitt beeindruckt mich nachhaltig. Eine Empfehlung. Du bist schön, wir sind schön.

Der Hintergrund.

Der Film erschien 2017. Er lief exakt 2 Tage im Stuttgarter Programmkino. Gerne hätte ich ihn schon letztes Jahr gesehen, doch da war ich noch nicht so weit: Eine Frau dokumentiert ihre Suche nach Antworten auf die Fragen, warum Frauen ihre Körper nicht nur nicht mögen, sondern sogar hassen. Warum Frauen so viel Zeit und Aufwand betreiben, ihre Körper zu formen und dabei oft Unmögliches zu erreichen versuchen. Warum sie so leiden, dass sie krank werden. Warum sie sich ständig vergleichen, anstatt bei sich zu bleiben.

Fehltritt oder Rückfall: Mit neuer Kraft

Erhellende Effekte


Wie eine simple fiebrige Bronchitis mir meine Bedürfnisse aufzeigt und mich meinem Körper noch ein Stück näher bringt. Eine Ergänzung zum voran gegangenen post "Über das Spüren".

Eine Übung: Körpersignale verstehen.

Tatsächlich bin ich richtig krank geworden. Vermutlich hat mich mein Körper aus dem Verkehr gezogen und zur Pause gezwungen. Inzwischen helfen mir Antibiotika durch den Tag und Codeintropfen durch die Nacht. Widerwillig nehme ich also (weitere) Medikamente. Sie wirken, ich fühle mich besser, kann wieder aufstehen und habe Appetit. Apropos Appetit: Mein Körper vermittelt recht deutlich, was er braucht. Ich habe Lust auf Gesundes, nicht auf Fettiges oder Süßes. Der Drang nach diesem Mehr-Mehr-Mehr an Essen ist kaum vorhanden. Nur einmal, gestern, bin ich über die übrig gebliebenen Pfannkuchen für meine
Unter anderem.
Kinder hergefallen. Blitzartig war dann der Gedanke an ein schnelles Erbrechen in meinem Kopf; ich war alleine, das Klo zog und zerrte an mir als wäre ich ein Flummi am Band. Loswerden-Loswerden-Loswerden, Abnehmen-Abnehmen-Abnehmen, Weitermachen-Weitermachen-Weitermachen, alles bekannt. Jedoch: Mein Widerstand war stärker! Zunächst inneres Entsetzen, sofort der Gedanke an den Zeiger auf der Waage, dann: Ein cooles Gefühl. Ich werde kraftvoller, mein Widerstand wird verlässlicher. Und das, obwohl ich körperlich krank bin. Irgendwie widersinnig. Und gut-gut-gut!



Den Rückfall abgewendet - aber wie?

Es bleibt die Frage: Wie habe ich das geschafft, wie kann ich diesen Widerstandsmoment reproduzieren? Ich glaube, zum einen bin ich viel zu schlapp zum selbst induzierten Erbrechen. Zum anderen ist mein Magen-Darm-Infekt gerade erst überwunden. Zum dritten waren die Pfannkuchen lecker und selbstgemacht, mit viel Mühe auf klapprigen Beinen; und ich habe sie nicht verschlungen sondern beinahe langsam gegessen; außerdem waren es nur 2. Viertens hatte ich Medizin im Bauch, die oral genommen wirken sollte. Eine lange Liste situationsbedingter Ursachen. Doch was ist der innere, der tiefere Grund für meinen gelungenen Widerstand? Vermutlich ist es dieser: Ich habe räumlichen Abstand zwischen das Flummi-Ich und die Toilette gebracht. Ich habe nachgedacht, mein Bewusstsein aufgerüttelt und erreicht. Dann habe ich gehandelt und Wasser getrunken, mich wieder ins Bett gelegt. Das klingt einfach, nicht wahr. Bestimmt macht mir der Widerstand nächstes Mal noch weniger Mühe, wenn mich das Mehr-Mehr-Mehr überfällt.

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Donnerstag, 10. Mai 2018

Über das Spüren

Gut-zu-mir-Sein.

In Kontakt mit mir selbst.


Ich bin krank, körperlich. Und ich lerne in der Rückschau viel über mich aus diesem Elend: Ich fühle mich in Kontakt mit mir selbst, vielleicht zum ersten Mal.

Unerwartet schlapp und müde.

Den gestrigen Arbeitstag und das anschließende Mittagsprogramm habe ich noch geschafft, mit gutem Appetit gegessen, alles geregelt. Dann plötzlich liege ich auf der Dachterrasse in meinem Sessel, komme kaum noch hoch. Ich fühle mich diffus schlecht, aber nicht so wirklich - und doch auch gar nicht gut. Ich schiebe diesen Zustand als Ausdruck von Erschöpfung auf mein fehlendes Wochenende, weil ich zwei Tage unterwegs war. Und bleibe einfach liegen, überlasse die Kinder ihrem munteren Tun. Keine Wäsche, kein Putzen oder Aufräumen und Einkaufen.

Donnerstag, 3. Mai 2018

Über das Haben-Müssen

Gier, gierig, am Gierigsten.


Ein Beitrag auf den Seiten der Filderklinik klärt meine Gedanken, zementiert mein Verhalten und lässt mich verzweifelt hoffen.

Über das Haben-Müssen.

Schwarz auf weiß.
Schon lange bemerke ich diese Maßlosigkeit an mir. Sie erschüttert mich zutiefst. Ich bin ihr ausgeliefert. Aber: Mein Widerstand wurde über die Jahre stärker, die Maßlosigkeit verlagert sich noch mehr vom Mich-Quälen-Müssen auf das Haben-Müssen. Ist das also besser? Ja, ich denke schon, da ich so zumindest die physischen Schädigungen aufhalten kann. Allerdings: Die Scham bleibt. Und das wiegt schwer. Diese Scham, das Gefühl des Versagens, kann ich schlecht ertragen; ich verbleibe im Kreislauf von Verzweifeln und Zudeckeln und Schämen.

Zeit für eine Pause

Umbrüche. Abschiede. Ich ziehe mich zurück, der Blog macht Pause. Gründe dafür gibt es viele, der Wichtigste: Mit dem Essen komme ich zurech...