So unendlich müde.
Schweres Leben. |
Seit Wochen spüre ich, dass mir das Aufstehen schwerer fällt. Morgens starte ich noch gut, doch mittags schlafe ich sofort ein und komme nach 2 Stunden im Tiefschlaf nur unter Mühen wieder hoch. Den Wecker schalte ich gefühlte 20 mal auf stumm, denn ich weiß: 20 Minuten dösen wären besser für mich als 2 Stunden. Heute arbeite ich nachmittags und freue mich über den freien Vormittag. Doch ich habe ihn komplett verschlafen. Mir fehlt die Energie, mich dem Alltäglichen zu stellen. Warum das so ist? Versuch einer Statusmeldung mit Bestandsaufnahme.
Die Tentakel der Depression...
... erreichen mich. Ich empfinde mich als zweigeteilt: Einerseits bin ich im Kontakt mit anderen aufmerksam und munter und fühle mich auch so. Meine Arbeit im Büro kann ich gut leisten und bin mit Schwung dabei, probiere sogar mit Begeisterung viel Neues aus. Unser Mittelkind macht mir große Sorgen und ich verzweifle fast daran, wir finden keine Lösung. Ich bin froh, dass ich diese Freude und auch diese Not spüre - also bin ich innerlich noch nicht ganz tot.Andererseits spüre ich meinen nächsten Menschen gegenüber oft nur Leere und Unwillen. Unser Haus ist für mich kein Zuhause, sondern ein Ort voller Arbeit, Mühen und Konflikte, die sich stets wiederholen und niemals zu enden scheinen. Ein Ort voller unendlicher, alltäglicher Aufgaben, die sich wie steile Klippen vor mir auftürmen, so dass ich gar nicht anfange. Das Wetter bietet uns einen Sommer im Oktober; meine Söhne freuen sich nach wie vor an kurzen Hosen und T-Shirts. Ich aber, ich kann die Sonne nicht mehr aushalten. Dieses Licht, diese Wärme - ich will Dunkelheit, Kälte und Wind und Regen auf der Haut spüren. Dann weiß ich, dass ich noch da bin. Mich treibt das Wetter in geschlossene Räume, wo mich wiederum der Haushalt anspringt. Ich merke, dass ich dennoch hier bleibe und mich auch von Freunden und Familie zurück ziehe. Telefonate mag ich sowieso nicht besonders, ich fasse das Telefon also gar nicht mehr an. Sondern ich verbringe viel (zu viel) Zeit im Bett. Die Tentakel der Depression ziehen mich in die Isolation. Ich kenne das.
Ich habe Sehnsucht ...
... nach der Klapse. Ich darf diesen Ort so nennen, ich war dort. Der Begriff lässt sich hart aussprechen, mit x ungeschriebenen 'p' in der Mitte. Häufig gesagt, beginnen die Lippen zu brennen: "Klapppppppppse." Sehnsuchtsort. Vor genau 1 Jahr war ich dort, habe mich fallen lassen in das Kümmern durch Ärzte und Pflegepersonal, verließ erneut meine Familie und meinen Alltag. Raus, weg, fort, unsichtbar sein, alles egal finden, alleine sein, Medikamente nehmen, Tränen weinen, sichtbar sein, Ruhe haben, Schlüssel entdecken, Schlösser öffnen und verschließen, einsam sein, Gemeinschaft finden, Ich sein.Mein theoretischer Plan jedoch lautet anders: Ich will noch 1 Jahr warten, die Abstände zwischen den Aufenthalten sollen sich vergrößern. Man sagt, ich schaffe das. Ich hoffe, ich schaffe es.
Dass die Depression mich wieder erwischen kann, weiß ich. Schließlich bin ich inzwischen eine erfahrene Patientin. Ich kenne auch viele Tricks und Kniffe, mich aus der Tiefe zu holen. Theoretisch jedenfalls. Jetzt schaffe ich es nicht. Fast erscheint es mir, als wollte ich sie haben, die Depression. Dafür verurteile ich mich sehr.