Offen sein für Impulse
Ein Riesenfortschritt ist, dass ich wieder Bücher lesen kann: große, dicke Wälzer. Gerne Fachliteratur, am liebsten jedoch Krimis. Inhalte erschließen sich, ich muss Sätze nicht mehrfach lesen und verschlinge die Bücher regelrecht. So bleiben die Worte nicht leer, überall entdecke ich Neues, ganz nebenbei. In Zeiten meiner Depression, Angststörung und massiv praktizierter Essstörung ging diesbezüglich gar nichts. Ich atme auf. Und nehme wahr. Verstehe größere Zusammenhänge.
Wahre Worte in einem Kriminalroman
Karin Slaughter, "Blutige Fesseln", Weltbild Verlag, 2016. Die Sprache liegt mir nicht, ich empfinde sie in Teilen als vulgär, platt, sexistisch, starke Geschlechterstereotypen widerstreben mir. Jedoch: Der plot ist phantastisch, überraschend, spannend, fesselnd, blutrünstig, auch gesellschaftskritisch. Und psychologisch interessant. Ein (langes) Zitat, S. 534, 1. Absatz:"Du weißt, was ich meine", entgegnete Tessa. "Ich sehe dich vor mir, wie du ganz ganz stoisch und logisch bist und ihn glauben lässt, das Ganze sei eine Art mathematisches Problem mit einer Lösung x oder y, während du innerlich halb stirbst. Aber du schaffst es nicht, ihn das wissen zu lassen, weil du befürchtest, du könntest wie ein Ritterfräulein in Nöten wirken." Sie hielt inne, um Luft zu holen. "Schau, nichts ist falsch daran, ein Ritterfräulein zu sein. Es geht hier gar nicht um Mann oder Frau. Es geht um menschliche Bedürfnisse. Du kümmerst Dich gern um ihn. Du hast gern das Gefühl, gebraucht zu werden. Es ist keine Sünde, wenn du Will das Gleiche in Bezug auf dich zugestehst. (...) Du musst ihm zeigen, wie du dich fühlst."