Sonntag, 15. April 2018

Schlüsselsätze: Trick 17

Beiläufig und unerkannt, doch so wesentlich.


Wie wichtige Worte scheinbar unendlich lange brauchen, um bei mir anzukommen. Heute kapiere ich, was mir vor ein paar Wochen mitgegeben wurde. Weiterlesen erneut auf eigene Gefahr.

Wie geht's, wie steht's?

Ganz gut soweit, danke. Und selbst? Schnell abgelenkt, ist besser so. Ich will ja nicht die ewig gleiche Leier erzählen. Und lügen möchte ich auch nicht. Und, es stimmt ja auch: Ganz gut soweit, danke. Ich habe allerdings viel mehr Interesse an der Antwort meines Gegenübers, als dass ich selbst erzählen möchte. Hinterher denke ich: Das war wieder ziemlich perfekt. Ich habe zwei Seiten; die eine ist richtig stark, die andere ist ganz und gar bedürftig. Die bedürftige Seite kann ich nicht ertragen, weil ich nicht weiß, wie ich ihr gerecht werden soll, wie ich sie füttern soll. Darum blende ich sie aus, verstecke sie durchaus. Darin bin ich richtig gut geworden in all' den Jahren. Ich habe mich hart gemacht. Mein Interesse am Außen ist echt, das erspart mir den Blick ins eigene Innen. Ganz gut soweit geht's mir also, danke sehr. 

Und dann krieg' ich das Kotzen.

Mir geht's echt gut, ich bekomme mein Leben hin; die Kinder sind munter und zufrieden, sie meistern Schule und Freunde, Krisen und Herausforderungen auf die ihnen jeweils ganz eigene, individuelle Art und Weise, jeder für sich und doch auch oft gemeinsam. Ich liebe sie dafür und ich bin unendlich stolz! Und dann überrollt mich das Gefühl, überrollt mich die Freude an der Freude, am Moment, am Leben. Und dann mache ich den Moment kaputt: Ich höre nicht mehr auf zu essen, stopfe weiter bis kurz vor'm Platzen. Woher kommt denn nur diese plötzliche Leere inmitten unseres kleinen, warmen, schönen Universums, das mir so viel bedeutet? Ich ende wehrlos über der Kloschüssel mit dem Finger im Hals.

Das ist eine Strafe für irgendetwas.

Sagte mir mein Therapeut vor einigen Wochen, ziemlich beiläufig, am Ende einer Sitzung. Der Gedanke war und ist mir nicht ganz neu, aber erst heute dringt durch, was gemeint ist. Ich habe das sogar schon einmal aufgeschrieben: Das Gute und Schöne darf nicht sein, darum zerstöre ich es ungebremst mit der  Methode, die ich aus dem Effeff beherrsche: Ich fresse und kotze. Ich schlinge und quäle mich. Ich spüre den Schmerz. Ja, ich bin da! Hinterher hänge ich bleich und schwindelig, müde und weinend, elend-traurig auf dem Klodeckel, bis ich bereit bin, den Klo-Schutz-Raum zu verlassen. Dann begrüße ich mein Selbstmitleid, ich habe jeden Grund dazu. Aber halt, was ist das für ein Mist?

Stattdessen: Trick 17 - Innehalten, vorher. 

Das Licht sehen.
Ich will mich doch nicht (mehr) dafür strafen, dass ich endlich erkenne, was für einen Schatz ich habe, was für ein Geschenk die Momente mit den Kindern sind  oder mit Freunden oder auch die Augenblicke ganz alleine nur für mich. In derselben Sitzung wie oben schlug mein Therapeut außerdem vor, in bestimmten Momenten das bewusste Innehalten zu probieren. Nicht das Reingrätschen, sondern ein Innehalten VOR der aktiven Konfrontation
Es sind stets die gleichen Situationen, in denen mir das Essen entgleitet. Ich kenne diese Fallen inzwischen allzu gut. 

Einige Male hat es schon funktioniert: Ich stecke den Schlüssel ins Schloss nach einem Tag im Büro und anschließendem Termin-Gehetze. Ich schließe meine Augen, atme ruhig. Und mache mir bewusst, was jetzt auf mich zukommt: Allen gleichzeitig zuhören, parallel Abendessen machen, jedem Einzelnen zugewandt sein, den nächsten Tag besprechen, Sachen packen und organisieren, den Feierabend herbei sehnen. Auch: Ich muss nicht mehr hetzen, ich kann langsam essen, darf bald herunter fahren. Erst dann drehe ich den Schlüssel im Schloss und komme zuhause an. 

Das ist mein neuer Trick 17: Innehalten und Vorbereiten. Ich kenne diesen Schlüsselsatz schon eine Weile, doch kapiert und praktiziert habe ich ihn bisher nicht. Ganz bewusst gehe ich mit dem Vorsatz in die neue Woche, es wieder zu versuchen.


Zeit für eine Pause

Umbrüche. Abschiede. Ich ziehe mich zurück, der Blog macht Pause. Gründe dafür gibt es viele, der Wichtigste: Mit dem Essen komme ich zurech...