Donnerstag, 28. November 2019

Mein reizender Cocktail...

In Auszügen.

... aus Wein, Schokolade, Kaffee, Tabletten, Shopping, Blut und Schmerz.


Back to the sprachlosigkeit, back to my very best. Nur variantenreicher, beinahe noch schlimmer als damals, als ich bloß gekotzt habe.

Bekannt: bodenlos traurig, elend und matt und müde, körperlich ausgehöhlt, dauerschlafend und doch nie erholt.

Fast darf ich das hier gar nicht aufschreiben, schließlich wird’s die eine oder der andere lesen. Dann bin ich wieder nackig. Es tut mir leid, ich kann nicht sprechen, nur schreiben. 

Symbolhaft.
Man sieht mir nix an, ich fahre diese Stacheln der Perfektion aus, alles gut und wunderbar. Der Alltag läuft, ich stemme das Zuhören und Mittagessenkochen und Motivieren und Nachhaken und Organisieren. Was ich nicht schaffe: Körperpflege, Kosmetik, Einkaufen, Aufräumen, Telefonieren und wichtige Post erledigen, Arbeitengehen, Dinge-tun-Müssen. Ich schlafe vorm Außen verborgen ganze Vormittage, mache eine erklärt lange Mittagspause, entziehe mich der Familie durch frühes Zubettgehen. Ausgeschlafen oder gar energiegeladen bin ich nie.

Für den Konsum von s.o. reicht die Kraft aber doch. Alte Muster brechen durch, noch verfeinert, mein reizender Cocktail: Shopping-Wahn im Internet, Suchtmittelverzehr am liebsten als Gemisch und alles gleichzeitig gepaart mit offenen Wunden am Körper und echtem Schmerz. Der Tinnitus durchschneidet mein Hirn wie mit dem Sägeblatt einer Kreissäge. Seit Wochen geht das so. Alles ist mühsam und schwer, kaum gelingt mir das Aufstehen. Dies zum aktuellen Stand.

Leider habe ich nicht nur mich selbst abgeschossen, sondern auch meinen wunderbaren Therapeuten.

Jetzt stehe ich da. So viele Therapien, so viel Wissen, so viel Erkennen und Erkenntnis, so viele geweinte Tränen. Und doch geht nix mehr. Obgleich ich mich nicht so gelähmt fühle wie damals, 2014. Ist das folglich ein sogenanntes gutes Zeichen? Platitüde. Leere Worte.

Sie sind in einem tollen Alter, da kommt noch so viel Leben!, sagt der Hausarzt, den ich beschämt um eine Krankschreibung bitte. Sie sind die Spezialistin für sich selbst, sagt die liebe Kümmerin. Rückfälle bei Essstörungen sind leider häufig, meist bleibt die Tendenz ein Leben lang, sagt die Tageszeitung. Suchtverlagerung nennt man das, sagt die Klinikärztin, bei der ich mich nach langer Pause wieder vorstelle. „Das Ermüdende an der Depression ist, dass sie immer noch und wieder da ist, auch wenn sie weg ist“, sagt der BRIGITTE-Autor Till Raether in seinem Outing. Wenn die Depression da ist, schlägt sie unerbittlich zu. Sage ich. Die Ansprache meines wunderbaren Therapeuten umgehe ich ganz.

So viele kluge Worte. Sie sind wahr und richtig, ich kenne sie alle, aber ich begreife sie nicht.

Wahn ohne Sinn.
Mein Innerstes will sie nicht hören, es schreit bloß dagegen an: Ignoriere!, Laufe davon!, Schlaf' weiter!, Steh' nicht mehr auf!, Iss-Friss-Kotz!, Tabletten plus Alkohol, yeah! Blutige Füße, wunder Rachen. Ich sehe mich selbst, kann es kaum fassen. Diese fundamentale, selbstzerstörerische Kraft - das soll mein Ich sein?

Immerhin: Ich schleppe mich tapfer zum Sport. Das sei gut, sagen Fachleute, Glückshormone sollen helfen. Und: Ich war auf der Waage, seit Monaten tigerte ich drumherum. Das Ergebnis schicke ich mir per Mail – als könnte ich diese Niederlage je vergessen. Meine Therapie-Termine nehme ich wahr, ich bin pünktlich (das klingt so selbstverständlich, ist es aber keinesfalls). Ich esse nicht nur aus der Fülle des Süßigkeitenschranks, sondern ergänze durch Gesundes. Oft ertrage ich das Essen in meinem Bauch, manchmal nicht. Ich halte fest: Es ist nicht alles schlecht. Ich kenne die Vergleichsparameter. Ich bin also auf einem guten Weg, sagt man.

Die Leber verzeiht (noch) schnell. Der Körper heilt die blutigen Löcher an den Füßen und den offenen Hals. Die Physis steht wieder auf. Die Seele wird es auch schaffen. Und dann wird der nächste schwere Absturz vielleicht weniger schlimm. 

Zeit für eine Pause

Umbrüche. Abschiede. Ich ziehe mich zurück, der Blog macht Pause. Gründe dafür gibt es viele, der Wichtigste: Mit dem Essen komme ich zurech...