Dienstag, 12. Dezember 2017

So überraschend

In den Spiegel geschaut


Bei der Volkshochschule habe ich einen Einsteiger-Kurs "Fitness-Boxen" belegt: 4 Termine, jeweils sonntags vormittags für 2 Stunden. Perfekt zum Schnuppern, dachte ich.

Warum ausgerechnet Boxen?

Ich wollte das schon immer mal ausprobieren! In der Klinik habe ich einen Trommelkurs belegt. Himmel, das geht ja gar nicht: Mein fehlendes Rhythmusgefühl macht jeden Trommel-Termin zum Kraftakt. Kein Medium für mich. Da ich mir ein Hobby suchen möchte, da ich lernen will, meine Wut heraus zu lassen, da Boxen die allgemeine Fitness verbessern soll, wage ich also einen Versuch. Schön übersichtliche 4 Sonntage, vermutlich nettes, nicht allzu gestyltes Publikum, Bewegung, hoffentlich auspowern.

Allerdings: Zuerst bekomme ich den Schreck meines Lebens!

In Lauftight, zu klein gewordenem Shirt und Sportschuhen betrete ich die Turnhalle. Und verfalle auf der Stelle in völlige Schockstarre: Spiegel, überall Spiegel, eine ganze Seitenwand ist vollständig verspiegelt, das darf ja wohl nicht wahr sein! Ich hasse hasse hasse Spiegel, in der Regel laufe ich mit gesenktem Kopf dran vorbei, der Schminkspiegel ist okay, das regennasse Schaufenster beim Passieren auch. Aber das: Heute stehe ich mir in enger Kleidung selbst gegenüber, schonungslos. Ich hüpfe und springe gemäß Anweisung und mein Körper hüpft und springt mit. Ich kann gar nicht anders, ich muss nach vorne in den Spiegel gucken. Und will einfach nur raus hier, bloß weg. Mir ist total schlecht. Eigentlich war mir schon schlecht, sobald ich die Spiegel entdeckte, weil ich ja selbstverständlich natürlich absolut sicher wusste, was ich sehen würde.

Und dann gehe ich dahin, wo die Angst ist.

Ich bleibe in der Halle, ich bleibe vor dem Spiegel, ich bewege mich, ich schaue mir in die Augen, ich zwinge mich, mich von oben bis unten zu studieren. Seit Ewigkeiten habe ich mich nicht mehr angesehen, so ganz am Stück und vollständig von Kopf bis Fuß sozusagen, und dann noch in diesen Klamotten. Bin ich das?, frage ich mich. Vorsichtig sackt in mein Bewusstsein die Erkenntnis, dass ich vielleicht gar keine Zumutung für meine Umwelt bin, die mich so sieht? Ich sehe eine Frau mit Taille und Hüfte, mit Brust und echt sportlichen Oberschenkeln, auch die Arme wirken stark. Ich sehe keinen Speckbauch, sondern ein Bäuchlein. Ich sehe Proportionen, die stimmig sind, die zueinander passen. Eine andere Frau würde ich schön finden mit dieser Figur, so sportlich stark und dabei weiblich. Aber meine Waage sagt etwas ganz anderes, ich muss doch aussehen wie eine Tonne, schließlich fühle ich mich immer so. Das ist sie wohl, meine schwere Körperschemastörung...

 

Was mein Körper alles kann.

Ich merke: Trotz Spiegelbild ist alles in Ordnung! Die Bewegungen sind koordinativ nicht einfach, richtig anstrengend - und machen viel Spaß. Die Teilnehmer sind bunt gemischt, zum Wohlfühlen. Zwar tue ich mich schwer mit den Partnerübungen, aber: Mein Körper hält 2 Stunden durch, ich fühle mich richtig gut! So gut wie schon lange nicht mehr. Die Übelkeit ist verflogen und vorsichtig macht sich Freude breit, dass mein Körper schafft was er schafft, dass ich körperlich so gesund bin. Wieder einmal werde ich dankbar und demütig und bin gleichzeitig voller Freude, dass ich diese fürchterliche Spiegel-Überraschung aushalten und sogar das Beste draus machen konnte. Für mich heißt das im Klartext: Dranbleiben lohnt sich also doch!

Zeit für eine Pause

Umbrüche. Abschiede. Ich ziehe mich zurück, der Blog macht Pause. Gründe dafür gibt es viele, der Wichtigste: Mit dem Essen komme ich zurech...