Fressen und Kotzen oder Nixessen - perfekt zum Abnehmen?
Auf den Punkt gebracht: Das ist toaler Quatsch!
- Vom Erbrechen habe ich noch nie abgenommen. Die Quälerei ist schier unendlich, doch es bleiben genug Kalorien im Körper und werden immer, immer wieder neu zugeführt, so dass eine Gewichtsabnahme fast unmöglich ist. Zugenommen haben meine Depressionen, meine Scham, das Lügen und Verstecken. Beständig.
- Vom Nixessen habe ich durchaus abgenommen an Körpermasse, aber stets auch an Energie, an Konzentration, an Nerven. Ich habe mein Lachen verloren. Gewonnen habe ich Schmerzen am gesamten Körper, Schwindel, Übelkeit, Nevosität, Panikattacken, körperliche Zusammenbrüche beim Sport. Und natürlich habe ich auch in diesen Zeiten meine Ausreden verfeinert.
- Der Körper geht völlig kaputt. Zwar war ich jung, als ich anfing, und mein Organismus konnte mein Suchtverhalten einigermaßen wegstecken. Doch inzwischen bin ich deutlich älter und spüre die Nachwirkungen: Speiseröhre, Magen, Herz, Stoffwechsel sind angegriffen. Meine Zähne sind erstaunlich gesund, kaum zu glauben. Trotzdem: Das Wertvollste, was ich habe, ist meine Gesundheit. Die hat mächtig gelitten.
- Ich konnte nie aufhören! Jeden Tag sagte ich mir: Morgen höre ich auf. Vorher nochmal alles essen, was ich so sehr mag und nicht darf. Noch einmal elend erbrechen. Aber morgen, morgen höre ich auf mit dem Fressen und Kotzen. Morgen esse ich, so richtig, total gesund, total normal. Das wiederum habe ich nie geschafft. Das geht nämlich nicht.
Auf den Punkt gebracht: Es geht überhaupt nicht ums Abnehmen!
Das ist nur vorgeschoben, Jede und Jeder will abnehmen. Das ist modern, gesellschaftlich anerkannt, sogar gewollt. Aber bei Essgestörten vorgeschoben. Denn eigentlich geht es um das Ich-Mich: Ich bin nicht richtig, ich störe, ich bin zu viel, ich muss weniger werden, ich muss mich reduzieren, mich korrigieren. Erst dann habe ich (vielleicht) das Recht, überhaupt da zu sein. Ich verletze mich selbst, strafe mich für mein Dasein. Aber nur durch die Schmerzen spüre ich überhaupt, dass ich da bin.
So habe ich die Spirale erlebt, den langen Weg in den Abgrund. Die Spirale dreht immer schneller und zerstörerischer, mehr Schmerzen, mehr Erbrechen, weitere, schlimmere Verletzungen. Kein Ich-Mich mehr, überhaupt keins. Nur noch Matsche in Körper und Seele.
Während ich das hier aufschreibe, denke ich: Was für ein Scheiß! Aber so ist es, so habe ich es erlebt und erlebe es manchmal immer noch. Das ist Sucht, nur Sucht, keine Diät.