Sonntag, 6. Januar 2019

Beichte

Viel (zu viel) E zu W.

Feuerstoß.

Advent, Weihnachten, Neujahr, Weihnachtsferien, Urlaub, Besuche, Verwandtschaft und Freunde, Lachen und Weinen, Essen, Kochen, Backen, Einkaufen, Fressen und Kotzen, Geschenke, Freudestrahlen. Alles wie immer. Alles anders. Irgendwie neu. Eine Situationsbeschreibung. Ein Tatsachenbericht, schonungslos.

Rückblick aufs Jahr.

Abschied.
Mal wieder. Und doch ganz neu. Letztes Jahr habe ich am 24. Dezember einen post veröffentlicht mit dem Titel "Schlüsselsätze: Standards einhalten." Damals war ich - nach meinem 4. Klinikaufenthalt und dem nachfolgenden Zusammenbruch - voll motiviert. Dranbleiben wollte ich, milde mit mir umgehen, mein Leben selbst lenken. Die Schlüsselsätze gelten nach wie vor, sie werden sogar immer wahrer: Schließlich halte ich mich nicht daran und spüre, dass mir dieser Rahmen, dass mir MEIN Rahmen fehlt. Ich will meinen Rahmen zurück und bin doch so weit davon entfernt wie selten zuvor.

Letztes Jahr stand ich in der Silvesternacht weinend auf dem Kirchplatz unter der Laterne. Ich war umgeben von lieben Menschen und gleichzeitig fürchterlich einsam. Dieses Gefühl basierte auf der Erkenntnis, dass es so nicht weiter gehen kann. Und auf der Erkenntnis, dass ich tief in mir schon weiß, was ich ändern muss. Darum diese Tränen, diese Trauer, ein Gefühl von Abschied, von Weglaufen-Wollen, keinesfalls von Neuanfang. Dazu rundum die Freude meiner Söhne und Freunde. Der Nachhall dieser Momente unter der Laterne hat in mein Innerstes geschnitten, Widerhaken gesetzt und ist geblieben.

Versuch einer Standortbestimmung.

Ich lasse einige posts Revue passieren, z.B. diesen hier: "Fehltritt oder Rückfall: Änderungsmotivation. Verzwicktes Leben, halt mich!" oder: "Überraschungsgrausen: Wunderbarer Horror" und, sehr eindrücklich: "Frei gelegt: Fest verinnerlichte Glaubenssätze". Ich schreibe über meine Depression in "Einblick" und registriere beim Nachlesen vieler posts mein Bemühen, das Errungene, Erkämpfte, das Geschaffte, das Positive aufzudecken, z.B. in "Lichtblicke: Das Gute wahrnehmen". Ein Jahr ist vergangen seit meinen heimlichen Tränen unter der Laterne. Ein Jahr voller Ansätze und Versuche.

Wiegezettel 2018.
Die Motivation des Anfangs habe ich unterwegs häufiger verloren, aber stets wiedergefunden. Es war ein schweres Jahr, keine schöne Zeit. Es wurde ein gutes Jahr. Geht das? Nicht schön, aber gut. Ein ganzes Jahr habe ich gebraucht, um zu Begreifen, um zu Erkennen, um Schritte daraus abzuleiten und eine Entscheidung herbei zu führen. Ein ganzes Jahr lang habe ich weiter beständig Kilos zugelegt, seit meinen dünnsten Zeiten 2014 wiege ich nun 20 kg mehr. Ich habe Angst: Wird es immer so weiter gehen, noch mehr Kilos bis ich platze? Oder ist besagte Entscheidung vielleicht DER Schritt, um den ich immer herum geeiert bin, der mir aber nicht gelingen wollte? Muss ich aufhören, drumherum zu therapieren und - endlich - den radikalen Schnitt machen?

Und jetzt: Viel (zu viel) E zu W!

Ja, vermutlich ist es so: Ganz radikal. Der Schnitt ist vollzogen. Dieses Mal stand ich Silvester nicht weinend unter der Laterne. Einsam war ich trotzdem.
Doch ich konnte die Nähe meiner Söhne, Familie und Freunde spüren und mich an der Gemeinschaft freuen. Auch das Essen habe ich gut hinbekommen, nicht
Um-Sturz. Neu-Beginn.
nur hinter mich gebracht. Jedoch, es gab viele andere Mahlzeiten und Verführungen während der Weihnachtszeit, welchen ich vollständig erlegen bin. So kam das E zurück, viel zu viel E zu W, Erbrechen zu Weihnachten. Viel zu viel A, Alkohol außerdem. Meinen Fressanfällen fühle ich mich ausgeliefert. Selten habe ich brav protokolliert und meine Strafzettel ausgefüllt. Vielmehr habe ich meinen Rahmen verlassen, der Halt gibt aber auch starr ist. Kein Denken in Nulltoleranzen hilft.
Ich taumele durch mein neues Universum. Für den Augenblick wirkt es, als hätte ich keinen Rahmen mehr. Trotzdem fühle ich mich sicherer als je zuvor.

Ja, vermutlich trifft auch folgendes zu: Das E ist mein Ventil - weiterhin, genau wie in den vergangenen 30 Jahren. Noch habe ich keinen Ersatz, trotz aller Versuche mit Sport, Meditation, Struktur, Regeln und Standards, Therapien und Klinikaufenthalten. Werde ich verzweifelt-traurig-schwach, ist das E wieder da. Je nach meiner Verfassung kann ich dagegen arbeiten. 

Im Augenblick brauche ich das E: In der damit verbunden Qual kann ich Druck abbauen. Fast glaube ich, dass ich in den letzten Wochen ohne dieses Ventil stehen geblieben wäre. Nun, ich bin weiter gelaufen. Dann kann ich das E jetzt also ablegen. Und mir einen neuen Rahmen erobern.

Zeit für eine Pause

Umbrüche. Abschiede. Ich ziehe mich zurück, der Blog macht Pause. Gründe dafür gibt es viele, der Wichtigste: Mit dem Essen komme ich zurech...